»Unauflöslich.
… das lässt etwas in mir anklingen«

Jahresthema 2024

In der gegenwärtigen Zeit befinden wir uns – global betrachtet – in einer Phase, in der einerseits grundlegende menschliche Werte, wie sie zum Beispiel die Charta der Vereinten Nationen formuliert, nicht verwirklicht sind und sogar von Menschen und Staaten offen abgelehnt werden. Vieles, was lange als Wahrheit galt, wird nicht mehr akzeptiert. Viele Menschen suchen angesichts der verwirrenden Pluralität nach einer klaren, Werte vermittelnden Orientierung. Daher stellt sich diese gegenwärtige Situation für viele Menschen auch als eine Epochengrenze dar, und geopolitische Ereignisse werden als Zäsur wahrgenommen. Nicht zuletzt durch einen Migrationsanteil von inzwischen rund 25 % und einen durch die sozialen Medien angetriebenen Wandel, erleben wir in Deutschland immer mehr divergierende Glaubens- und Denkmodelle. Andererseits werden diese Werte hier bei uns – die Dynamik unserer heutigen Gesellschaft widerspiegelnd – diskutiert und im Zusammenhang mit globaler Gerechtigkeit, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit sowie Toleranz in Vielfalt verhandelt, eingefordert und gelebt. Nichtsdestotrotz entstehen Konflikte und Problemstellungen – Radikalisierungen sind allenthalben festzustellen, gegen die auch wir als Künstler*innen deutlich entgegentreten.

Mit dem Titel »Unauflöslich. …das lässt etwas in mir anklingen« drücken wir einerseits ein Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber gesellschaftlichen, geopolitischen oder auch militärischen Konflikten aus, die uns immer näher kommen und die wir nicht lösen können. Andererseits verweisen wir mit der nachfolgenden Empfindungsbeschreibung auf die Relevanz der Empathie in einer Ära, die durch eine Vielzahl von Medien und eine Flut falscher Informationen geprägt ist. Das heißt,  das Wort »unauflöslich« fügt sich zugleich harmonisch in die Argumentation ein, denn in dieser Zeit ist die unauflösliche Einheit von Empathie (als Schlüsselbegriff für emotionale Intelligenz) und Vernunft entscheidend. Diese untrennbare Verbindung ist ausschlaggebend, um der Polarisierung zu entkommen, die durch konfrontative Meinungen bewirkt wird.

»… das lässt etwas in mir anklingen« – mit der noch so kleinsten Impulsenergie kann etwas in Bewegung kommen, dem wir Künstler*innen in unseren Werken behutsam nachspüren. So können mit einer balancierenden Bewegung komplexe Themen in einer ausgewogenen Perspektive betrachtet werden. Erneuerung, Reflexion über das Menschenbild, über den Stellenwert bildender, darstellender sowie angewandter Kunst in der heutigen pluralen multikulturellen Gesellschaft. Emanzipation von Macht, Gewalt, Unterdrückung. Aufbegehren gegen reaktionäre und menschenverachtende Sichtweisen. Was wiederum alles die unauflösliche Verbindung von Emotionalität und Rationalität erfordert und eine Schlüsselrolle dabei spielt, eine Gesellschaft mitzugestalten, die von Verständnis, Zusammenarbeit und Wohlergehen geprägt ist. So wollen wir versuchen, anhand von Ausstellungen und Veranstaltungen mit Mitteln der ästhetischen Artikulation die Widersprüche, Ambivalenzen und Problemstellungen zu treffen und damit Menschen berühren, Empathie erzeugen.

Entwickelt in den Projektversammlungen und Bornheimer Tafeln Okt. 2023 bis Feb. 2024. Aufgezeichnet von Harald Etzemüller, Textredaktion Vládmir Combre de Sena, Barbara Frenz, Rainer Geburzyk, Brigitte Kottwitz, Carolyn Krüger, Cornelia F. Ch. Heier