Natura Nova

Apr
29
2022

Natura Nova

Malerei von Denis Buckley und Holzschnitte von Steffen Merte

Ausstellung
Vernissage
Datum: 29.04.2022 – 22.05.2022
Ausstellungsraum EULENGASSE
Aspekte, Rezensionen und Meinungen freier Autor*innen
Daten
29.04.2022 – 22.05.2022
Natura Nova
Malerei von Denis Buckley und Holzschnitte von Steffen Merte
Veranstaltungsort
Ausstellungsraum EULENGASSE
Seckbacher Landstr. 16, 60389 Frankfurt am Main
Organisation
Ausstellungsraum EULENGASSE
Webseite
www.eulengasse.de
Verantwortlich
Vládmir Combre de Sena
WEITERE INFOS
Vernissage



Beteiligte Künstler*innen


Die Ausstellung vereint Denis Buckleys Blick auf Landschaften und »Engelsfragmente«, aus Steffen Mertes Serie »Trümmer der Geschichte, oder die Verformung der Linie«.

Walter Benjamin ergeht sich in seinen geschichtsphilosophischen Thesen »Über den Begriff der Geschichte« (These IX) über Paul Klees Skizze Angelus Novus, in welchem er den Engel der Geschichte erkenne, welcher auf die Vergangenheit als einzige Katastrophe zurückblicke und die Verwüstungen heilen möchte, aber vom Sturm in die Zukunft geweht werde. »Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm«, schreibt Benjamin.

»Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.« (WB)

In meiner Lesart ist dieser Sturm ein Sog in die Zukunft. Das Hier und Jetzt ist nicht zu konservieren. Der Sturm ist die Naturkraft, unaufhaltsam. Da kann auch der Mensch nichts entgegensetzen. Benjamins Trümmerteile der menschlichen Natur, besser: des Unvermögens der Menschen, mit der Umwelt pfleglich umzugehen, häuft sich auf. Tragödien wie der Faschismus (Triebfeder für Benjamins geschichtsphilosophische Abhandlungen) finden immer wieder neue Ausformulierungen…

Die Holzschnitte „Engelsfragmente“, die Steffen Merte seit 2016 im Rahmen seiner Serie »Trümmer der Geschichte, oder die Verformung der Linie« aus dem Übereinanderdruck von bis zu 6 farbigen Druckstöcken geschaffen hat, setzen das Scheitern der Linie so konsequent ein wie im Werk seines Vorbilds und Lehrers Joachim Mennicken. Aus Zerstören Neues schaffen, dazu sagt Merte: »Der Engel tat mir leid und ich ließ in stürzen, habe ihn erlöst aus seinem Dilemma — und dennoch hat er mir ein Schnippchen geschlagen, denn er lässt sich auch umgekehrt deuten und er steht wieder auf.«

Neben menschlichen Katastrophen sind es vermeintliche »Naturkatastrophen« wie z.B. ein Dammbruch und die nachfolgende Flut, die auf uns einwirken. 90 % aller Naturkatastrophen haben Bezug zu Wasser – Wasser, das den größten Teil der Oberfläche des blauen Planeten bedeckt, Wasser – unser Lebenselixir. Denis Buckley beschäftigt sich in der letzten Zeit mit sehr feinen und zart gemalten Aquarellen. Die wesentlichen maltechnischen Merkmale der Aquarellmalerei entstehen durch den Einsatz des Wassers. Buckley hat einen unverstellten Blick im Hier und Jetzt auf die Welt. Und als Realist wählt er Orte der Friedfertigkeit, der Ruhe und Ausgeglichenheit. Die Landschaft hält er in der ihr innewohnenden Üppigkeit fest, für eine Nachwelt in der Zukunft, welche immer dies auch sein möge.

Naturereignisse wie z.B. ein Vulkanausbruch und die ablaufende Lava, ein Dammbruch und die nachfolgende Flut vermögen eine Rückkehr der Natur zu einem ausgeglichenen Zustand herstellen, ganz nach Antoine Laurent de Lavoisier »In der Natur wird nichts geschaffen, nichts geht verloren, alles verwandelt sich…« Die Werkkonstellation dieser Ausstellung der beiden Künstler Denis Buckley und Steffen Merte lassen uns über Veränderungen in Vergangenheit und Gegenwart nachdenken. Ein Blick auf die Rückseite der Zukunft?

Vládmir Combre de Sena M.A.
(Dieses kuratorische Konzept wurde verschriftlicht von Harald Etzemüller)

 

Abb.: »Walking flowers« (Ausschnitt) © 2022 Denis Buckley